Was heißt hier „Schuld an Trump“?

Jagoda Marinić 1Seit Trump gewonnen hat schreiben viele Journalist*innen selbstkritische Artikel, in denen sie die Schuld bei sich suchen. Sie zählen sich dabei zu irgendeiner nicht näher definierten Elite und fürchten, als solche ignorant gewesen zu sein in den letzten Jahren. Manche nehmen die „Schuld“ gerne auf sich, scheint es. Die Wähler*innen, man sieht es ja in den USA, hätten genug von der Diktatur der politisch Korrekten. Schuld sei, so manche, eine ominöse globale Elite, die lieber New York Times liest als sich mit der Realität vor der Haustür auseinanderzusetzen. Mit dieser Selbstkritik erschaffen Sie eine Klasse, die es so nicht gibt und die anzugreifen jedoch zum Erfolgsrezept der rechten Kräfte gehört.

Man muss schon hart an der Schmerzgrenze der Selbstverleugnung sein, um sich selbst etwas vorzuwerfen, was man sich hart erarbeitet hat, weil es einem ein Wert ist. Während Farage sofort selbstgewiss zu Trump fliegt und im Goldaufzug die Volksnähe predigt, sitzen viele Intellektuelle in Deutschland vor ihren Computern und bezichtigen sich zum Beispiel der kulturellen Gentrifizierung. Nach wie vor wäre deutschen Intellektuellen und Medien eher vorzuwerfen, zu abgeschottet von der globalen Situation zu denken, als zu weltoffen zu sein. Hätten Deutschland und Europa globaler gedacht, wäre man hier nicht von den Menschen auf der Flucht überrascht worden. Viele Medienmacher akzeptieren jetzt den Vorwurf, den die Rechten machen und unterstützen so das Establishment-Bashing, das die rechten Kräfte derzeit erfolgreich auf die Linken projizieren. Weiterlesen…

Trump ist ein Warnschuss. Aber das Motto gilt: Never waste a Crisis!

 

Anke Domscheit-Berg 1Trumps Wahlerfolg ist nicht vom Himmel gefallen. Es gab keinen Bevölkerungsaustausch in den USA und auch kein Brainwash-Programm. Dem großen Entsetzen in der Wahlnacht ging eine jahrzehntelange Entwicklung voraus, die wir auch in Europa und auch in Deutschland beobachten können. Was dort Wählerinnen und Wähler so frustriert hat, dass sie nach dem Motto „nach mir die Sintflut! – Hauptsache, das Establishment wird abgewählt“ mehrheitlich einen unfassbar ungeeigneten und höchst gefährlichen Präsidenten wählten, passiert alles auch hier, nur etwas langsamer. Das gibt uns Zeit aber nicht mehr viel, denn die Auswirkungen sehen wir auch schon bei uns. Aus verbreiteter Skepsis gegenüber Politik und Medien ist eine verbreitete Ablehnung geworden. Aus Stammtischparolen wurde öffentlich geäußerter Hass. Aus rassistischen Parolen wurden Brandstiftungen. Aus Wähler*innen wurden Nichtwähler*innen, aus Nichtwähler*innen wurden AfD-Wähler*innen.

Noch haben sie keine Mehrheiten, aber wer will schon Prognosen zu den Dynamiken äußern, die eine Trump-Wahl auch bei hiesigen nationalen Strömungen in Europa auslöst? Ich werde mich nicht wundern, wenn als nächstes eine rechtsradikale Marine Le Pen Präsidentin in Frankreich wird und irgendwann die erste Koalition zwischen demokratischen konservativen Parteien und AfD Fraktionen in Deutschland auftaucht. Weiterlesen…