Mutmacher Michael Schneidewind von der 100% Tempelhofer Feld Initiative

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© privat, Michael Schneidewind

1. Wer seid ihr und was waren die Beweggründe für die Gründung eurer Initiative?

Wir sind eine Bürgerinitiative in Berlin, die sich 100% Tempelhofer Feld nennt und erfolgreich das Ziel verfolgte, mit einem Volksentscheid das Tempelhofer Flugfeld in Berlin vor Bebauung zu schützen, d.h.  als Freizeit und Naturparadies in zentraler Lage in der wachsenden Metropole Berlin zu erhalten. Um das Volksbegehren zu organisieren, gründeten wir den Verein „Demokratische Initiative 100% Tempelhofer Feld e.V.“ Dieser war Träger des Volksbegehrens, Eigentümer der Homepage www.thf100.de und als gemeinnütziger Verein geeignet, Spenden einzutreiben.

2. Was konntet ihr erreichen, wo seid ihr auf Hindernisse gestoßen?

Am 25. Mai 2014 votierten 740.000 Berliner mit „Ja“ für den Gesetzentwurf der Initiative. Mit rund 40.000 € organisierten wir eine landesweite Aufklärungskampagne zu dem querschnittsorientierten Politikfeld „Stadtentwicklung“. Das Thema Wohnungspolitik, Finanzpolitik, Umweltpolitik, Flächenmanagement etc. wurde zu einem großen Gesamtthema, das schließlich auch breit in den Lokalzeitungen und Lokalsendern der Berliner Medien Niederschlag fand. Das Anliegen der Initiative wurde aktiv unterstützt von ungezählten Ehrenamtler*innen.

Der Grund: Unser Ziel war „smart“:

Spezifisch: Das Ziel war eindeutig definiert.

Messbar: Ziel musste sein, mindestens 640.000 Ja-Stimmen zu gewinnen.

Akzeptiert: Die Ziele der Initiative fanden breite Unterstützung bei den Berliner*innen, denn sie waren angemessen, attraktiv, ausführbar oder gleichzeitig anspruchsvoll.

Realistisch: Die Zielerreichung erschien auch zu jedem Zeitpunkt möglich.

Terminiert: Es gab einen festen Termin: Der Volksentscheid fand am 25. Mai 2014 statt.

Jeder, der die Initiative unterstützen wollte, konnte sich mithin selbst ausdenken, welche Aktion zielführend sein könnte – und das taten die Berliner*innen. Deshalb haben wir nur 40.000 Euro in zwei Jahren ausgegeben (ca. 10.000 € über Betterplace, der Rest wurde gesammelt – z.B. während unserer Demos von den Demonstranten – oder durch verschiedene Einzelspenden).

3. Welchen Rat könnt ihr anderen geben?

Entscheidend war während des gesamten Volksbegehrens eine Arbeitsorganisation, die dem Einzelnen viel Freiraum in der Art und Weise der Unterstützung gewährte. Ein geläufiger Spruch: „Wer etwas vorschlägt, muss das auch bezahlen“, schränkte die Handlungsmöglichkeiten immer auf ein realistisches Maß ein. Der Vorstand nahm in diesem Kontext nur eine untergeordnete Rolle ein, da er – siehe oben – kaum über Finanzausgaben zu entscheiden hatte. Teamfähigkeit, Arbeiten an der Sache und Bescheidenheit sind Eigenschaften, die dann von Bedeutung sind. Entscheidend war sicherlich auch, dass wir neben dem wöchentlich tagenden Plenum ein eigenes Kampagnenbüro in der Nähe des Tempelhofer Felds mit einem aktionsorientierten, ideenreichen Arbeitskreis hatten, denn eine solche Initiative braucht ein Zuhause und konkrete Aktionen. Auch dort wurde im Übrigen nur ehrenamtlich gearbeitet.

Nicht zu vergessen ist die Infobroschüre zum Volksentscheid, die in einer Auflage von 1,7 Mio. an die Wahlberechtigten in Berlin auf Kosten der Senatsverwaltung verschickte wurde und in der wir mit 16.000 Zeichen für uns argumentieren konnten. Wir haben diese Chance vor der Wahl gut genutzt.

4. Was muss sich ändern, damit Initiativen wie eure erfolgreicher sein können?

Volksabstimmungen sollten – schon wegen der Kosten – zusammengelegt werden mit allgemeinen Wahlen! Ab einem bestimmten Zeitpunkt sollten solchen Initiativen Räume und Arbeitsmaterial zur Verfügung gestellt werden. Auf keinen Fall aber sollten Personalkosten entstehen, damit Volksbegehren nicht zum Geschäftsmodell werden!

5. Was erwartet ihr von unserer Initiative Demokratie Plus?

Gute Aufklärungsarbeit darüber, wie sich Demokratien weiter entwickeln könnten. Dadurch entstehen Ideen bei denen, die diesen Weg mitgehen wollen. Das gibt uns allen Hoffnung!

Michael Schneidewind, ist Mitinitiator und Vorstandsmitglied der Bürgerinitiative 100% Tempelhofer Feld.

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