Minister, die sich ihre Anwesenheit bezahlen lassen, Politiker, die direkt aus dem Amt in die Wirtschaft wechseln, Lobbyisten, die an Gesetzen mitschreiben, Nebeneinkünfte bis in Millionenhöhe, intransparentes Parteisponsoring. All diese Skandale und das wachsende Gefühl der Ohnmacht gegenüber des immer größer werdenden Einflusses einer kleinen Elite führen dazu, dass die Menschen das Vertrauen in Abgeordnete, in die Politik, ja in die Demokratie generell immer mehr verlieren.
Ein großes Problem ist, dass die Parteien kein ernstes Interesse daran zu haben scheinen, diese Missstände endlich umfassend anzugehen, für echte Transparenz zu sorgen und den ausufernden Lobbyismus in seine Schranken zu weisen. Zwar gibt es immer wieder gute Vorschläge von einigen Parteien für gesetzliche Regelungen, diese werden jedoch nie richtig in die Tat umgesetzt. Daher verwundert es auch nicht, dass von der Vertrauenskrise in die Politik vor allem die etablierten Parteien betroffen sind. Fast 65 % der Bevölkerung gibt an, den Parteien wenig oder gar nicht zu vertrauen. Die beiden großen Volksparteien haben im Laufe der letzten Jahrzehnte einen großen Teil ihrer Mitglieder verloren. An dieser grundsätzlichen Entwicklung ändert auch die momentane Eintrittswelle in einige Parteien wenig.
Aufgrund des mangelnden Vertrauens in die etablierten Parteien, war es für populistische und rechte Kräften in den letzten Jahren einfach, immer größeren Anklang zu finden und Wahlerfolge zu verbuchen. Daneben haben sich viele Menschen aber auch vollends von der Politik, der Demokratie und ihrem Privileg zu wählen abgewandt. Die Untersuchungen zum neuen Armuts- und Reichtumsbericht zeigen, dass vor allem die von Armut bedrohten Menschen kaum Chancen haben, Einfluss auf die Politik auszuüben.
Uns erfüllt all das das mit tiefer Sorge. Wir sind der Überzeugung, dass man alles daran setzen muss, verloren gegangenes Vertrauen in die Parteien und die Demokratie zurückzugewinnen. Es geht um Glaubwürdigkeit und da reicht es nicht, einzelne gesetzliche Regelungen oder kleine Korrekturen zu diskutieren. Deshalb schlagen wir einen umfassenden Ethik-Kodex für Parteien vor, der sich vor allem an die Personen richtet, die ein Mandat anstreben. Ein solcher Kodex könnte u.a. für umfassende Transparenz im Umgang mit Lobbyismus sorgen. Mit Ihm könnte auch eine Vereinbarung zur Offenlegung und Begrenzung von Nebentätigkeiten sowie zu einer wirkungsvollen Karenzzeit formuliert werden.
Wir haben einen Vorschlag für einen solchen Kodex formuliert, weil wir eine Diskussion anstoßen wollen. Natürlich muss keine Partei diesen Kodex eins zu eins übernehmen, jeder einzelne Punkt ist diskutabel, aber die Pauschalverweigerung vor allem der Union überhaupt über dieses Thema zu reden, muss endlich aufhören. Wir würden uns wünschen, dass die Parteien unseren Kodex zum Anlass nehmen, um sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen und gegebenenfalls eigene Lösungen für sich zu finden.
Für uns ist klar: Dem erstarkenden Rechtspopulismus und dem wachsenden Hass auf die Politik kann man nur mit Offenheit, Ehrlichkeit und größtmöglicher Transparenz begegnen. Die etablierten Parteien sollten zeigen, dass sie hier mit gutem Beispiel vorangehen, dass sie aus den Skandalen der vergangenen Jahre gelernt haben und bereit sind Fehler zu korrigieren. Ein Ethik-Kodex wäre ein erster wichtiger Schritt.
Marco Bülow
Anke Domscheit-Berg
Gregor Hackmack
Nicol Ljubic
Jagoda Marinic
Anne Straube