Wie machen wir den Bundestag repräsentativ?

Gregor Hackmack 1Der Bundestag als Volksvertretung sollte den Anspruch haben, Mehrheitsmeinungen der Bevölkerung in wichtigen politischen Fragen abzubilden. Nicht zufällig heißt es am Bundestagsgebäude „Dem deutschen Volke“. Doch in vielen politischen Fragen entscheidet der Bundestag anders, als dies von der Bevölkerung gewünscht wird. Dies ist aus meiner Sicht die Ursache für den großen Vertrauensverlust der Bevölkerung gegenüber der Politik.

Aktuelles Beispiel: das Frackingverbot. 61% der Bevölkerung spricht sich für ein vollständiges Verbot aus. Es ist aber davon auszugehen, dass der Bundestag etwas anderes beschließt. Auch für die Einführung der Homoehe gibt es laut Umfragen große Mehrheiten in der Bevölkerung. Doch auch hier weigert sich die Mehrheit des Bundestags seit Jahren der Mehrheit in der Bevölkerung zu folgen.

Das führt zu Misstrauen und wirft die Frage auf, wem der Bundestag denn eigentlich dienen sollte, wenn nicht der Bevölkerung? Vieles spricht dafür, dass zumindest in wirtschaftspolitischen Entscheidungen Lobbyisten die Richtung vorgeben. Wer genau wessen Interessen in Berlin vertritt, ist dabei nicht bekannt. Die Forderungen nach einem Lobbyregister (übrigens auch ein Mehrheitsanliegen der Bevölkerung) werden ebenfalls seit Jahren von der Bundestagsmehrheit ignoriert. Selbst eine Auskunft gemäß dem Informationsfreiheitsgesetz, welchen Lobbyisten die Bundesverwaltung einen Hausausweis ausgestellt hat, um die Gebäude des Bundestags zu betreten, wird hartnäckig verweigert.

Wenn das Parlament sich standhaft weigert, den Mehrheitsanliegen der Bevölkerung zu entsprechen, dann muss das Volk direkt entscheiden – per Volksentscheid. Wir würden unseren Abgeordneten die Last der großen Entscheidungen abnehmen. Die Iren haben es gerade getan und per Volksentscheid die Homoehe eingeführt. Doch auch die Einführung bundesweiter Volksentscheide – ebenfalls ein Mehrheitsanliegen – findet keine Mehrheit im Bundestag.

Zwischenzeitlich bleibt uns Bürgerinnen und Bürgern nur, unsere Bundestagsabgeordneten per Petition auf Mehrheitsanliegen hinzuweisen. Wir haben dazu ein neues Verfahren entwickelt, den Petitions-Check. Hierbei handelt es sich um ein Kooperationsprojekt zwischen dem bewährten Frage- und Antwortportal abgeordnetenwatch.de und dem weltgrößtem Petitionsportal Change.org. Das Prinzip des Petitions-Checks ist denkbar einfach. Wenn eine Change.org-Petition, die sich an den Bundestag richtet, mindestens 100.000 Unterschriften erreicht, wird das Petitionsanliegen im Rahmen einer repräsentativen Umfrage von infratest dimap abgefragt. Spricht sich eine Mehrheit der Bevölkerung für das Petitionsanliegen aus, dann bekommen alle Bundestagsabgeordneten die Möglichkeit zur Stellungnahme. Alle Stellungnahmen bleiben in den jeweiligen Abgeordnetenprofilen auf abgeordnetenwatch.de dokumentiert. Sie können damit eine wichtige Grundlage für die Wahlentscheidung bei der nächsten Bundestagswahl bilden.

Die Vision: wenn wir alle unsere Wahlentscheidung künftig davon abhängig machen, wie unsere Abgeordneten unsere Anliegen im Bundestag vertreten, dann wird der Bundestag insgesamt repräsentativer. In der Demokratie sind wir alle gefragt.

8 Gedanken zu “Wie machen wir den Bundestag repräsentativ?

  1. Helena Peltonen

    Ich bin zutiefst überzeugt, dass der Vertrauensverlust in die Politik(er) genau auf dem hier beschriebenen Phänomen beruht. Versuche, die Wahlbeteiligung durch Kosmetische oder technische Veränderungen zu erhöhen, werden auf Dauer nur Kosmetik bleiben. Der Respekt der Demokratie und des Grundgesetzes müssen Einzug in die Politik halten. Gerade jetzt, wo das Zusammenwachsen Europas auf eine harte Probe gestellt wird, gilt dies für die Mitgliedsländer und für die EU insgesamt.
    Das Verfahren des Petitions-Checks kommt genaue richtig. Gratulation !

  2. Christof Adler

    Ein Versuch ist es wert, den Souverän, also uns alle, wieder mit in das Boot zu bringen, in dem wir alle auch sitzen. Mehr Demokratie wagen. Ein Ansatz, den man mit einer solchen Strategie einlösen kann. Versuchen wir also, unsere Politik wieder dahin zu bringen, wo sie hingehört, zum Volk. Zu uns.

  3. Rheinländer

    Sie erwarten, dass die Parteien nach aktuellen Meinungsumfragen abstimmen? Sorry, aber wenn ich immer nach der Mehrheitsmeinung gehe, wird daraus noch lange keine insgesamt gute Politik.

    Soll man dann auch je nach Schwankung in den Meinungsumfragen regelmäßig wieder das Gegenteil vom zuvor Beschlossenen beschließen, weil sich nun statt 45% nun 55% für bzw. gegen etwas sind?

    In der Politik geht es darum, komplexe Zusammenhänge abzuwägen – das eignet sich nur sehr bedingt für (oft auch Interessen-geleitete) Meinunungsumfragen oder Ja-/Nein-Volksabstimmungen.

  4. Gute Idee! Setzt allerdings voraus, dass die Volksvertreter auch das Volk vertreten möchten und es bisher vor allem daran hapert, dass sie nicht wissen, was ihre Wählerschaft eigentlich wünscht.

  5. Ein Optimum kann es, wie nirgends im Leben, leider auch hier nicht geben. Ich hege große Zeifel daran, dass eine intensivere wie auch immer geartete Beteiligung des Volks auch zu einer höheren Wahl- und/oder Abstimmungsbeteiligung führen könnte. Wäre schön, wenn ich mich diesbezüglich täuschen würde. Aber das andere Problem sehe ich nicht zuletzt darin, dass die zahlreichen unterschiedlichen Einstellungen der Menschen eine Aufteilung in Ja oder Nein sehr schwierig machen und häufig zu Abstimmungen mit knappem Ausgang führen dürften. Wenn etwas mehr als die Hälfte der Bevölkerung FÜR etwas ist, liegt es folglich in der Natur der Sache, dass so gut wie die andere Hälfte DAGEGEN ist. Und solche Pattsituationen gibt es nicht selten! Beruht indes die Zufriedenheit der Bevölkerung mit der Politik allein auf dem Umstand, an einer Abstimmung teilgenommen haben zu dürfen, dann ist das zwar vordergründig positiv, dient aber noch lange nicht der Sache selbst. Zumal sich hier schnell einmal Frustration einschleichen könnte, wenn häufiger nicht gemäß eigenen Vorstellungen abgestimmt wurde, was wiederum die Motivation zur Teilnahme an einem Votum deutlich schmälern dürfte.

    Mein pessimistisches Credo beim Betrachten der Menschen bzw. gesamten Menschheit lautet leider: Solange bei jenen Menschen die Einsichten und Empathie fehlen, die direkt an den Schalthebeln der Macht/Politik sitzen, ist jede Maßnahme zum Scheitern verurteilt. Nur die wenigsten Menschen widerstehen den Reizen der Macht und Gier und daher erscheint es mir fast schon illusorisch, die oben genannten Schalthebeln mit Zeitgenossen zu besetzen, die dagegen immun sind. Die Geschichte und Gegenwart enthalten genügend Beispiele dafür. Sehr, sehr schade.

  6. Müssen wir uns nicht auch Gedanken um die Zusammensetzung des Bundestags machen? Ganz abgesehen von der derzeit bestehenden unsäglichen Situation mit der völlig machtlosen Opposition.
    Was ist mit der zunehmenden Zahl von Abgeordneten, die, beginnend mit der Schule, nichts anderes kennen als Parteiarbeit und für die Parteikarriere der einzig gangbare Weg ist. Wie sollen die jemals nur ihrem Gewissen verantwortlich sein?
    Was ist mit dem hohen Beamtenabteil? Haben jemals Frösche einen Sumpf trockengelegt?
    Wenn ich die Pegida-Bewegung anschaue und mir die Bild Zeitung als führendes Organ der Meinungsmache (besser Stimmungsmache) vorstelle dann ist der Gedanke an Volksabstimmungen nicht ganz angstfrei!
    Ohne deutliche Quoren dürfte das nicht ratsam sein.
    Außerdem scheint mir fraglich, ob das Instrument Volksabstimnung wirklich die Wahlfaulheit der Mehrheit beheben würde – schaut auf die Beteiligung an vergangenen Entscheiden.
    Vermutlich würden auch dann wieder Entscheide vor Gericht angefochten. Heute sind es handwerklich schlechte Gesetze, dann wären es „angebrachte“ Zweifel an Methodik oder Auszählung.
    Gut finde ich dass diese Grundsatzdiskussion begonnen wird und werde das auch auf http://www.diebuergerlobby.de unterstützen.

  7. Volksentscheide mit Quoren bedeutet: Wir wollen Volksentscheide, wir wollen dies aber gleichzeitig verhindern. Die Wahl des Parlamentes ist wichtiger als die Sachentscheidung über Volksentscheid. Wir sollten für Bundestagswahlen Quoren einrichten.

    In unserer Postdemokratie sind Pegida-Anhänger wirtschaftlich und politisch ausgegrenzt. Wenn nur „Rechts“ (Schein)-Antworten auf ihre existentiellen Sorgen hat („Wir schützen Euch vor Ausländern“), dann wählen die Leute rechts — mit oder ohne Bildzeitung.

  8. Zumeist wird der Einfluss der oftmals üppigen Alimentierung der Abgeordneten durch den Staat (Regierung) im Vergleich zu den ebenfalls nicht zu vernachlässigenden privatkapitalistischen Lobbyisten vergessen.
    Die Diäten der Bundestagsabgeordnete betragen mittlerweile 9082 Euro brutto plus 4267 Euro steuerfreie Pauschale plus prozentualer Pensionsanspruch etc.
    Allein schon durch diese überdurchschnittliche Alimentierung gehören die Bundestagsabgeordnete, aber auch viele Landtagsabgeordnete, nicht mehr zum Bevölkerungsdurchschnitt und entwickeln dementsprechend andere Prioritäten und Ansichten.
    Bereits im Jahre 1906 wurden Abgeordnetendiäten im damaligen Reichstag eingeführt, die einem damaligen Professorengehalt entsprachen ( 3000 Goldmark). In den anderen europäischen Ländern erfolgte dies sogar noch früher und höher außer Russland und Serbien.
    Und in all diesen europäischen Ländern stimmten die dieserart alimentierten sozialdemokratischen Abgeordneten bis auf wenige Ausnahmen für die sog. Kriegskredite – bis auf Russland und Serbien !
    Folge dieser von den Regierenden ( z.B. Bethmann-Holweg) angestrebten „Verbürgerlichung der Sozialdemokratie“ waren Millionen Todesopfer in den Schützengräben.
    Ich habe daher eine online-petition ins Netz gestellt, um zu erreichen, dass die Abgeordnetendiäten auf das Durchschnittseinkommen der Bevölkerung (z.Zt.ca. 2800 Euro brutto) reduziert und begrenzt werden:
    https://www.change.org/p/an-den-präsidenten-des-dt-bundestags-herrn-lammert-bitte-empfehlen-sie-den-fraktionen-des-dt-bundestags-die-entschädigung-diäten-der-bundestagabgeordneten-auf-den-betrag-des-durchschnittseinkommens-der-bevölkerung-jährlich-festzusetzen
    Damit dieses Ziel nicht nur eine Petition bleibt, bereiten wir im Land Berlin auch einen „Demokratie-Volksentscheid“ mit dieser Forderung vor.
    Wer uns unterstützen möchte schreibe bitte an bernd.hinz@gmx.de

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