Das Ende der Vernunft?

Nicol Ljubić 1Was wir derzeit erleben, ist eine Zäsur und Zeitenwende. Dass Donald Trump der nächste Präsident der Vereinigten Staaten wird, ist nur der vorläufige Höhepunkt einer Entwicklung, die wir, die stets an Vernunft und Verstand geglaubt haben, nicht fassen können. Schon beim Brexit war es so: wir konnten uns nicht vorstellen, dass sich die Brit*innen wirklich für den Austritt aus der Europäischen Union entscheiden würden – bis sie es taten. Bis zuletzt hatte ich – nicht nur im Freundeskreis, sondern auch von sogenannten Expert*innen – gehört: »Das wird nicht passieren, das kann gar nicht sein.« Das Gleiche vor der Wahl in den USA. Bis zuletzt hieß es: »Die Mehrheit wird, wenn es darauf ankommt, Hillary wählen.« Und dann wurde es Trump, ein Mann, der gelogen und beleidigt, der sich rassistisch und sexistisch geäußert und sich der ernsthaften sachlichen Auseinandersetzung verweigert hat.

Wir erleben eine Zeitenwende, weil das, worauf wir uns stets verlassen haben, Vernunft und Verstand, keine Kategorien mehr sind, auf die wir uns verlassen können. Das zu begreifen, überfordert uns, weil es die Grundlage unseres Zusammenlebens in Frage stellt, es ist letztlich der Kern unseres gesellschaftlichen Konsens: die Ratio. Unser Handeln und Denken soll vernunftgeleitet sein. Aber sowohl der britische als auch der amerikanische Wahlkampf haben gezeigt, dass es nicht auf Argumente ankommt, dass es nicht darum geht, einen ernsthaften Diskurs zu führen, dass nicht mal mehr die Wahrheit sonderlich wichtig ist. Es geht einzig um Emotionen. Um Wut, Angst, Hass und Kränkung. Eigenschaften also, die irrationales Handeln und Denken hervorrufen.

Trump hat den gesellschaftlichen Konsens aufgekündigt und damit unsere Werte in Frage gestellt. Er hat Minderheiten beleidigt, Religionen diffamiert, Frauen diskreditiert, vom Steuern zahlen hält er nicht viel, genauso viel oder wenig wie vom Schutz der Umwelt, geschadet hat ihm all das nicht, ganz im Gegenteil: er wurde mit der Präsidentschaft belohnt.

Jetzt wird gehofft, dass er sich als Präsident mäßigen wird müssen und darüber debattiert, wie sehr das Amt die Person wird beherrschen. Aber das ist die falsche Debatte. Denn sie wird die Art und Weise nicht mehr ändern, wie Trump ins Präsidentenamt gekommen ist. Er hat das Gift aus der Flasche gelassen, und selbst wenn er jetzt den Deckel wieder draufschrauben sollte, es wäre schlicht zu spät. Sein Wahlkampf wird so einigen Populist*innen als Blaupause dienen. Nicht zufällig gehörten Putin, Orbán, Le Pen und Wilders zu Trumps ersten Gratulanten, auch Frauke Petry sprach von einem »ermutigenden Signal für Deutschland«. Was bedeutet das für uns, die mit Fassungslosigkeit auf das Wahlergebnis reagieren? Es ist viel von Schockstarre die Rede, aber spätestens jetzt gilt es aufzuwachen. Zu begreifen, dass Bequemlichkeit und Zufriedenheit zum Ende der Demokratie führen, und Werte, mit denen wir aufgewachsen sind, nicht Natur gegeben sind. Ich hätte nicht für möglich gehalten, dass sich die Welt, in der ich groß geworden bin, so schnell verändern kann. Und ich muss öfter als je zuvor an meine Kinder denken und meine Verantwortung für sie. Aber was bedeutet das? Wir müssen für die Werte, die uns wichtig sind, eintreten, wir müssen sie, auch wenn ich das Wort nicht mag, verteidigen und zwar, indem wir sie leben und uns von unserer Art, sie zu leben, nicht abbringen lassen. Und vielleicht dürfen wir uns in Zukunft nicht allein auf die Kraft der Vernunft verlassen, sondern müssen lernen, Emotionen zu wecken. Es gibt Menschen, die fordern schon länger einen Linkspopulismus als Antwort auf einen Rechtspopulismus. Weil einfache Antworten mehr Kraft entfalten als komplizierte. Vielleicht ist die Zeit dafür gekommen – zumindest, um darüber nachzudenken.

4 Gedanken zu “Das Ende der Vernunft?

  1. Klaus Ulrich Warner

    Die hier öffentlich dargelegten Standpunkte stehen zum Einen im Widerspruch zu den wesentlichen Merkmalen von Demokratie und zum Anderen sind diese zu tiefst voreingenommen gegenüber Donald Trump.

    Warum?

    Eines der wesentlichen Merkmale von Demokratie sind freie Wahlen verbunden mit Meinungsfreiheit.

    Amerikaner haben bei der Wahl von Donald Trump von beidem gebrauch gemacht. Dritte Staatsbürger, Deutsche, haben zwar die gleichen Rechte, aber eben nicht innerhalb des USA, sondern ausschließlich in Deutschland.

    Nun die Wähler von Trump wie auch immer zu kritisieren, egal in welcher Form, dass sie wagten Trump zu wählen, stehen Dritten überhaupt nicht zu.

    Das soll nicht heißen, dass Deutsche dazu keine Meinung haben sollen und dürfen, was mit einem Präsidenten Trump möglicherweise alles verbunden sein könnte. Im Grunde sind dies ohnehin nur Thesen und Vermutungen, genau wie die nicht eingetroffenen Vorhersagen, ob der Brexit nun kommt oder ob Trump als Wahlsieger dastehen würde.

    Linkspopulisten werfen Pegida und der AfD all zu gerne vor, man würde Angst und Hass schüren und aus dem sich daraus ergebendem politischem Kalkül die Wähler zu belügen und beeinflussen zu wollen.

    Aber genau den selben Eindruck könnte man aus diesem Beitrag erlangen, weil Ängste und Hass gegen die Befürworter des Brexit, das wäre jeder Brite, der für den Brexit gestimmt hatte und im Falle von Trump werden all jene Bürger der USA beschimpft, die einfach vom ihrem Recht auf freie und geheime Wahl ihres Präsidenten Gebrauch machten und damit auch ihr Recht auf Meinungsäußerung durch Abgabe der Stimme gebrauchten.
    Donald Trump wird regelrecht dämonisiert und über ihn wird ausschließlich negativ berichtet, wobei die negativen Seiten der Konkurrenten immer bagatellisiert worden werden.

    Dies zu kritisieren, steht keinem Deutschen zu.

    Darüber hinaus sind die Darlegungen darauf angelegt Ängste zu erzeugen, weil Trump nun Präsident sein wird. Die Zukunft kann schließlich niemand voraussagen.

    Ich erinnere abschließend nur daran, welcher Aufschrei und welche schlimmen Befürchtungen mit der Wahl von Ronald Reagan zum Präsidenten zu hören waren, die sich später als unbegründet erwiesen hatten.

    https://www.amazon.com/Crusader-Ronald-Reagan-Fall-Communism/dp/0061189243

    Reagan haben wir Deutsche zu verdanken, dass es bereits 1989/1990 zur Wiedervereinigung kommen konnte, weil seine Politik die damalige Sowjetunion fast in den Bankrott getrieben hatte. Die Folge war, dass sich die UdSSR die Zustimmung zur deutschen Einheit mit 5 Milliarden DM hat abkaufen lassen, um der Staatspleite zu entgehen.

    Zitat:
    „ … Teltschik erklärte zunächst, warum es sich bei den Vorgängen 1989/90 nicht bloß um eine „politische Wende“, sondern um eine „friedliche Revolution“ mit weitrechenden Folgen für Deutschland, Europa und die Welt handelte. Sodann ging er auf wichtige Voraussetzungen der Wiedervereinigung ein: den Nato-Doppelbeschluss, die Entwicklungen in Polen, Ungarn, in der UdSSR und der DDR. Er berichtete, wie die Bundesrepublik Anfang 1990 die Kreditanfrage der DDR-Regierung Modrow über 15 Milliarden DM ins Leere laufen ließ, wenig später aber die Sowjetunion mit 5 Milliarden vor der Zahlungsunfähigkeit rettete. Sodann ging er ausführlicher auf die Verhandlungen mit der Sowjetunion ein, die schließlich am 15. Juli 1990 im Heimatdorf des sowjetischen Staats- und Parteichefs Gorbatschow im Kaukasus mit der endgültigen Zusage zur deutschen Einheit endeten.

    „Unser Ziel war es, mit der deutschen Einheit die volle Souveränität zurück zu gewinnen; wir wollten den Abzug der sowjetischen Truppen aus der DDR; das vereinte Deutschland sollte Mitglied der atlantische Allianz werden; wir waren bereit, die Oder-Neiße-Grenze anzuerkennen, die Bundeswehr zu reduzieren und der Sowjetunion zu helfen“, umriss Teltschik die Strategie, die in einem sehr komplexen außenpolitischen Kontext nach dem Fall der Mauer zu realisieren war. … „

    http://www.kas.de/brandenburg/de/publications/36852/

    Fazit:

    Es wird nicht alles so heiß gegessen, wie es gekocht wird.

    Es wird nicht alles so „schwarz“ kommen, wie es von Populisten jeglicher Couleur gemalt wird.

    Hört einfach auf, Ängste und Hass zu schüren, weil damit der Blick und der Verstand verengt wird.

  2. Klaus Ulrich Warner

    Passt hier als Kommentar, wie die Faust aufs Auge, könnte man sagen.

    Zitat:

    Gestattet mir eine Frage:
    Warum verdreht ihr Ursache und Wirkung?

    Nun, ich sehe fragende Gesichter.
    Auch mit vielen Wiederholungen von Halbwahrheiten gebt ihr immer nur neues Wasser auf die Mühlen der „Abgehängten“.

    Wer hat die Spaltung in der Gesellschaft hebeigeführt und zu verantworten?
    Die Wähler sind viel klüger als ihr es euch nur im entferntesten vorstellen könnt. Auch Ungebildete sind nicht dumm und sie haben in einer Demokratie das gleiche Stimmrecht wie ihr selbsternannten Rechthaber.
    Nicht wer mit dem Finger auf die Ungerechtigkeit in unserem Land zeigt, ist der Verursacher. Nein unsere „Eliten“ mit ihren Lobyisten tragen die Verantwortung. Es wird ihnen auch nicht mehr helfen, wenn sie mit lautem Geschrei, haltet den Dieb rufen.
    Begreifen sie endlich, dass die Menschen, die den Brexit oder Herrn Trump, oder bei uns die AfD gewählt haben demokratischer denken und handeln, als sie. Sie stellen sich mit ihrem Artikel selbst ein undemokratische Zeugnis aus.
    Und erlauben sie mir den Einwurf, dass ihr Beitrag das Gegenteil von Demokratie + ist.
    Zum Schluß erlaube ich mir noch, sie darauf hinzuweisen, dass auch diejenigen, welche nicht mit ihnen übereinstimmen, nicht automatisch Rassisten, Antisemiten oder Mischpoke sind.
    Schauen sie in den Spiegel und sprechen sie 100 mal, Freiheit ist auch die Freiheit der Andersdenkenden. Vielleicht hilft das.

    Quelle:

    http://demokratie-plus.de/was-heisst-hier-schuld-an-trump/#comment-238

  3. Ein selbstgerechter Gutmenschenartikel der niemandem weiter hilft. Wer sich schockiert sieht, hat wohl nicht aufgepasst und zudem die US-amerikanische Demokratie noch nicht so ganz verstanden. Der Applaus ist dem Verfasser des o.g. Artikels vor lauter Vernunft und Werten sicher – Populismus? Wieder und immer wieder die Populismus-Keule, mit der ganzen Relativität und Substanzlosigkeit dieses Begriffes. Wie wäre es mit Argumenten? Einfach anderen im Trend nachplappern, und drauf los etikettieren – vornehmlich auf andere Meinungen, wenn sie einem nicht in den Kram passen. Was passiert, wenn so ein schlimmer, dummer Populist mit seinen einfachen Antworten und primitiven Lösungen letztendlich Recht behält? Das Geschwätz von und über Trump kann die im Wahlkampf nicht ausgesprochenen und dennoch konkludenten Antworten von H. Clinton als US-Außenministierin kaum toppen und wenn Trump noch so rassistisch oder sexistisch daherkommt. Da geht es um abertausende Menschen, welche die realen Clinton-Antworten in der Ukraine, im mittleren und Nahen Osten mit ihrem Leben bezahlt haben, Menschen die sie und Konsorten zu Millionen zu Flüchtlingen gemacht hat, abgesehen von ihrer marktradikalen Haltung mit der sie mit ihrem Kontrahenten mindestens gleichzieht, mit oder ohne TTIP. Keiner kann aussschließen, dass es Trump ebenso wie Clinton treiben wird, doch den Beweis hat er im Gegensatz zu Clinton noch nicht angetreten, noch nicht. Bei einer Wahl zwischen Pest und Cholera war einer Mehrheit von US-Amerikanern im Sinne des dort akzeptierten Wahlsystems ein populistischer, rassistischer und sexistischer ….. Schwätzer lieber. Das lässt aus weiter Ferne (Europa) eine klare Schlussfolgerung auf die Person von H. Clinton zu. In diesem Sinne ist das Thema verfehlt und könnte populistisch dumm auswirken, wenn sich jetzt alle auf den neuen US-Präsidenten stürzen, auch führende deutsche Politiker. Das ist jetzt ein demokratisch gewählter US-Präsident und das sollten sich jetzt alle demokratischen Gutmenschen in Europa ganz demokratisch hinter ihre Ohren schreiben und auch das, worum es wirklich geht: Ja richtig, es geht um das reale, übersehene weltweite Elend nach Jahrzehnten neo-liberaler Wirtschaftspolitik. Es geht um ein weltweites Betriebssystem, das ohne Nationalstaaten (auch ohne US-Staatlichkeit) und auch ohne Gutmenschen auskommt und wenn man nach Deutschland schaut, auch ohne Klima.

  4. Ich hätte da nur eine Frage.
    Welches Schaf ist vernünftiger, das das einen Wolf im Schafspelz wählt oder das, das einen Wolf wählt, der sich für einen Schäferhund ausgibt ?

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