Johanna Uekermann: Jung und politisch

 

© Tobias Pietsch

© Tobias Pietsch

Alle paar Jahre erscheint die Shell-Jugendstudie und versucht der Jugend von heute auf den Grund zu gehen. Befragt wird die Altersgruppe zwischen 12 und 25 Jahren. Die Jugendstudie versucht zu klären, wie junge Menschen ticken. Was ist ihnen wichtig? Was wünschen sie sich? Und wie bewerten sie Gesellschaft und die eigene Zukunft?

In den letzten Jahren kamen junge Menschen in den Studien nicht so gut davon. Nur 30 Prozent sagten 2002 über sich, sie seien politisch interessiert. Sie gingen schon noch auf die Straßen – zum Beispiel für die Abschaffung von Studiengebühren. Aber immer mit der Frage auf den Lippen: „Was bringt mir das?“. Die Autoren der Studie nannten die Jugendlichen von 2002 deshalb Ego-Taktiker. Entgegen mancher Feuilleton-Kommentatoren fand ich diese Einstellung nie verwunderlich. Aufgewachsen waren sie unter dem Eindruck der „Alternativlosigkeit“ politischen Handelns und mit der Gewissheit, der oder die Beste sein zu müssen, damit es mit einem guten Job etwas wird. Beharrlich saß die Angst im Nacken, dass einen niemand auffängt, wenn man sich Fehler leistet oder einen Umweg nimmt. Da wird beim Engagement sehr genau abgeklopft, welche Vorteile es hat. In diesem Jahr aber ist alles anders. Die Jugend 2015 ist politisch interessiert – 41 Prozent sagen dies über sich. Sie sind offen für Zuwanderung und gehen mit den Herausforderungen pragmatisch um. Anpacken ist angesagt, statt über die Situation zu jammern. Das zeigt sich auch aktuell ganz deutlich bei dem Umgang mit der großen Anzahl Schutzsuchender, die zu uns kommt.

Trotzdem ändert das gestiegene politische Interesse nichts daran, dass Parteien für junge Menschen wenig attraktiv sind. Fast 70 Prozent der Befragten stimmen folgender Aussage zu: „Politiker kümmern sich nicht darum, was Leute wie ich denken.“ Für unsere Demokratie gibt es deshalb noch lange keine Entwarnung. Als Vorsitzende einer politischen Jugendorganisation beschäftigt mich deshalb schon lange: Was ist zu tun, um insbesondere junge Menschen stärker auch für das Engagement in Parteien zu begeistern?  Wie schaffen wir es, mehr Menschen bei der politischen Willensbildung zu beteiligen?

Eines ist klar: Junge Leute haben keine Lust auf Alibi-Beteiligung. Sie sollen nicht nur mitreden. Sie sollen auch mitentscheiden. Parteien müssen ihnen deshalb nicht nur das Gefühl geben zuzuhören, sondern sie müssen sie tatsächlich ernst nehmen. Junge Leute müssen etwas verändern können, anpacken können. Die Parteien müssen sich dafür öffnen. Sie müssen mehr junge Leute in verantwortungsvolle Positionen und auf vordere Listenplätze bei Wahlen lassen.

Ein weiterer Punkt ist: Junge Leute engagieren sich dort, wo sie das Gefühl haben, voll und ganz hinter den Positionen stehen zu können. Petitionen, Bürgerinitiativen und punktuelles Engagement liegen deshalb weit vorne. Volksparteien mit ihren Aushandlungsprozessen und Kompromissen haben da häufig einen schweren Stand. Deshalb mehr Mut zu klaren Positionen. Will man es sich mit niemandem verscherzen, überzeugt man mit schwammigen Positionen zum Schluss niemanden – insbesondere nicht die jungen Menschen.

Zuletzt: Mehr Mitbestimmung durch Digitalisierung ist möglich. Viele Parteien stehen dabei nach wie vor am Anfang. Das ist ausbaufähig! Expertise dazu haben übrigens viele jungen Menschen. Vielleicht fragt ihr die einfach mal, wie sie beteiligt werden wollen.

 

Johanna Uekermann, 27, ist Bundesvorsitzende der Jusos und Mitglied der Grundwertekomission der SPD.

Ein Gedanke zu “Johanna Uekermann: Jung und politisch

  1. Ich halte es für ganz wichtig, dass neben der direkten Demokratie auch die Themen Vollgeld oder Monetative und das bedingungslose Grundeinkommen diskutiert werden.

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