1.Wer seid ihr und was waren die Beweggründe für die Gründung eurer Initiative?
Boa Nnipa ist eine junge deutsch-ghanaische Nichtregierungsorganisation. Seit unserer Gründung 2012 bilden wir in Ghana Freiwillige zu Sexualkundelehrer*innen aus. Unser Team klärt in Schulklassen und Gemeinden über sexuelle Gesundheit sowie Sexuelle und Reproduktive Rechte auf. In Deutschland informieren wir über unsere Projekte in Ghana, organisieren interkulturelle Veranstaltungen und unterrichten in Schulen über globale Verantwortung sowie Menschenrechte.
In Ghana ist Sex ein Tabuthema. Kinder und junge Erwachsene werden jedoch in den Medien, vor allem im Internet, fast täglich mit Sex konfrontiert. Der Mangel an Aufklärung führt zu vielen unbeantworteten Fragen. Zum Beispiel glauben viele Mädchen sie seien krank, wenn sie zum ersten Mal ihre Periode bekommen. Auch wenn sexueller Missbrauch ein weit verbreitetes Problem in Ghana ist, wird es in sehr vielen Fällen nicht angesprochen oder geahndet. Besonders in Schulen stellt Missbrauch durch Mitschüler*innen und Lehrer*innen ein großes Problem dar.
Während ihres Freiwilligendienstes in Ghana verwirklichten zwei unserer Gründungsmitglieder ein eigenständiges Sexualkundeprojekt. Schnell stellte sich heraus, dass die deutschen Freiwilligen diese Projektidee nur begrenzt umsetzen konnten. Einige Zeit später schloss sich Ihnen eine Gruppe engagierter junger Menschen an, die ebenfalls zur Förderung von Menschenrechten und sexuellen Rechten in Ghana beitragen wollten. Gemeinsam entstand die Idee ein langfristiges und nachhaltiges Bildungsprojekt zu etablieren. Dies war der Startschuss für Boa Nnipa.
2. Was konntet ihr erreichen, wo seid ihr auf Hindernisse gestoßen?
In nur drei Jahren haben wir über 55.000 Kinder und Jugendliche aufgeklärt. Von den Veränderungen während der Pubertät über die Funktion der weiblichen und männlichen Sexualorgane, Verhütungsmittel wie die Pille oder das Kondom, Geschlechtskrankheiten bis hin zum Recht der sexuellen Selbstbestimmung – unsere Lehrer*innen vermitteln nicht nur grundlegende Inhalte der Sexualkunde, sondern sind wichtige Ansprechpersonen für Kinder und Jugendliche in Ghana geworden, die Fragen rund um Sex und Sexualität beantworten.
Nicht nur in Schulen ist unser Team erfolgreich unterwegs und ein gern gesehener Gast. Mittlerweile konnten wir auch viele weitere Bildungsprojekte realisieren. In Kirchengemeinden sprechen wir über Familienplanung, Sexualität, aber auch Gewalt in der Ehe. Das interaktive Theater nutzen wir, um Geschichten über Sexuelle Rechte zu erzählen und die breite Gesellschaft zu erreichen. Auf dem Straßenstrich in Accra erklären wir Sexarbeiterinnen den für sie wichtigen und sicheren Umgang mit Kondomen auf. Während des letzten Jahres haben wir zudem unser Einsatzgebiet auf ländlichere Regionen ausgeweitet und haben in dörflichen Gemeinden unterrichtet. Darüber hinaus konnten wir mit lokalen Organisationen wichtige Kooperationen schließen, wie der Ark Foudation, die sich um Opfer sexuellen Missbrauchs kümmert.
Zu Beginn sind wir vor allem auf bürokratische Hindernisse gestoßen. Dies sowohl in Ghana, bezüglich der Erlaubnis in allen ghanaischen Schulen Unterrichten zu dürfen, als auch in Deutschland, bezüglich des Vereinsgründungsprozesses. Des Weiteren bestehen, wie bei fast jeder kleineren Organisation, Hindernisse darin, ausreichend finanzielle Mittel für unsere Projekte aufzubringen. Bis jetzt ist uns das aber immer gelungen.
3. Welchen Rat könnt ihr anderen geben?
Feste Prinzipien und eine gemeinsame Vision, die von allen Mitgliedern getragen werden, haben sich bei uns bewährt und eine identitätsstiftende Funktion übernommen. Sich auf diese Prinzipien und Visionen zu einigen kann mitunter ein langwieriger und anstrengender Prozess sein. Aber diese Anstrengung zahlt sich definitiv aus, denn ihr Ergebnis dient als Referenzrahmen und wichtige Orientierung für die erfolgreiche Durchführung der einzelnen Projekte.
Aber der wichtigste Rat, den wir anderen geben können, ist dass sie Vertrauen darin haben sollen, dass sich die Dinge zum Positiven fügen. Selbst bei herben Rückschlägen hat sich bei uns gezeigt, dass sich immer wieder Wege auftun, durch die Ziele doch noch erreicht werden können.
Ein starkes Netzwerk ist hier der Schlüssel. Wer Motivation, Energie und Herzblut in eine Sache steckt, strahlt das auch nach außen aus und steckt unweigerlich ihr/sein Umfeld damit an..
4. Was muss sich ändern, damit Initiativen wie eure erfolgreicher sein können?
Das Selbstverständnis der Entwicklungszusammenarbeit muss sich wandeln. So verrückt es klingen mag, aber die Entwicklungszusammenarbeit muss sich selbst abschaffen. Denn das langfristige Ziel muss es sein, dass Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten international abgebaut werden und letztendlich verschwinden. Für einen erfolgreichen Verlauf von Projekten, die nachhaltig zu einer Verbesserung der Lebenssituation Aller führen, ist es unerlässlich, dass lokale Kräfte einbezogen und gestärkt werden. Der interkulturelle Dialog, der Wissensaustausch und die gemeinsame Verantwortung für das Erreichen der Ziele können dazu beitragen.
Boa Nnipa Ghana soll eines Tages unabhängig sein. In Ghana fehlte es an Wissen und finanziellen Mitteln, um das Sexualkundeprojekt zu etablieren. Aber es fehlt nicht an motivierten und engagierten junge Ghanaer*innen, die ihre Zivilgesellschaft stärken wollen. Von Anfang an ging es daher darum, Bedingungen zu schaffen, so dass das Sexualkundeprojekt eigenverantwortlich von Ghanaer*innen durchgeführt werden konnte. Wissensaustausch, Vertrauen und Mut haben aus unserem Luftschloss ein ansehnliches Haus erwachsen lassen. So konnten wir bspw. bereits einen Meilenstein erreichen und die personelle Unabhängigkeit sicherstellen. Die Ausbildung von Freiwilligen zu Sexualkundelehrer*innen wird heute schon eigenverantwortlich vom ghanaischen Team durchgeführt.
5. Was erwartet ihr von unserer Initiative Demokratie Plus?
Demokratie steht für Selbstbestimmung, Teilhabe und Freiheits- und Menschenrechte. Aber ebenso steht Demokratie für Verantwortung und Pflichten. Wir alle stehen in der Verantwortung die demokratischen Werte zu leben und über ihre Einhaltung zu wachen. Wir alle haben die Pflicht uns für die demokratischen Werte einzusetzen, wenn an ihnen gesägt wird und Menschen ihrer Rechte beraubt werden.
Demokratie Plus sollte zeigen, wo demokratische Werte erfolgreich gelebt oder verteidigt werden. Ebenso sollte aber auch dort der Finger in die Wunde gelegt werden, wo sich Demokratiedefizite zeigen und Verbesserungen dringend notwendig sind. Ob nah oder fern, Demokratie und die Freiheits- und Menschenrechte jedes einzelnen Menschen, gehen uns alle an. Demokratie Plus sollte zum Hinschauen einladen und zum Mitmachen motivieren.
Franziska Schoeps, hat an der Freien Universität Politikwissenschaft studiert und arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bundestag. Sie engagiert sich seit 2012 bei Boa Nnipa und ist seit Anfang 2014 Vorstandsmitglied.
Jeffrey Klein, hat an der Freien Universität Politikwissenschaft studiert und ist momentan Student an der Hertie School of Governance. Er ist Gründungsmitglied und Vorstandsvorsitzender der Organisation.
Mehr Informationen zu Boa Nnipa unter www.boannipa.com und unter www.facebook.com/boannipa.