Vorwärts und vergessen… – Vorratsdatenspeicherung, Mitgliederbegehren und innerparteiliche Demokratie in der SPD

© Gerrit Hahn

Als Sigmar Gabriel Parteivorsitzender wurde, verkündete er vollmundig, dass er dafür sorgen würde, die Debattenkultur der SPD zu verbessern, die Mitglieder stärker in die Parteientscheidungen einzubeziehen. Der Applaus der Basis war ihm sicher. Doch wie steht es wirklich um die innerparteiliche Demokratie? Wie diskussionsfreudig ist die SPD? Die Debatte um die Vorratsdatenspeicherung hat es offenbart und sie ist symptomatisch für die Gesamtsituation.

Pflichtgefühl statt Begeisterung

Seit über 20 Jahren bin ich „Parteifunktionär“ und seit 13 Jahren sitze ich im Bundestag. Immer wieder erlebe ich, dass Parteitagsbeschlüsse wenig wert sind, sofern die Parteispitze diese Entscheidung nicht selbst herbeigeführt hat. Dabei hatte die SPD immer davon gelebt, dass in ihr und ihrem Umfeld engagiert um Positionen gerungen wurde. Sie war streitbar, lebendig, spannend. Sie gewann Mitglieder, die das Gefühl hatten, mitzubestimmen. Das war die Hochphase SPD und das lag nicht nur an Willy Brandt.

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Margarita Tsomou: In Kolonien braucht es keinen Staatsstreich

©Thies Rätzke

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Zur Frage des Neokolonialen im Kontext der griechischen Krise

„In Kolonien braucht es keinen Staatsstreich“, das war die Titelschlagzeile des Augusthefts des unabhängigen griechischen Polit-Magazins „Unfollow“ im vergangenen heißen, griechischen Sommer 2015. Die Zusammenführung solcher drastischer Begriffe wie „Kolonie“ und „Staatsstreich“ in einem einzigen Satz, erscheint zunächst typisch für die chronischen ästhetischen Faux-Pas linker Rhetorik, mit denen man – aus dem unbedingten Wunsch gehört zu werden – sich in unnötige Übertreibungen und falsche Vergleiche verstrickt. Diesen Sommer jedoch, war sich die gesamte Weltgemeinschaft einig darüber, dass es durchaus angebracht sei, solche Begriffe zur Beschreibung der Lage in Griechenland zu benutzen. Die Erzwingung der Unterschrift von Tsipras für das Dritte Memorandum am 13 Juli glich einem Staatsstreich (Stichwort #Thisisacoup). Griechenland, so sagte man, sei in den Status einer Schuldenkolonie oder eines -protektorats degradiert worden (Bülow/Troost/Paus August 2015; Schumann Juli 2015). Mittlerweile allerdings scheint sich die Aufregung gelegt zu haben – nach den Wahlen am 20. September scheint Griechenland in eine neue Phase von Konsolidierung und Stabilität eingetreten zu sein.

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D+ Auftakt in Dortmund: Die Demokratie retten!

Die drei

© Carolin Kempfer

Zur Auftaktveranstaltung des neugegründeten Vereins Demokratie+ (D+) in Dortmund konnte Gesine Schwan als Gast gewonnen werden. Gemeinsam mit Marco Bülow und Anke Domscheit-Berg diskutierte sie zum Zustand unserer Demokratie. Zudem wollte sich D+ erstmals auch in Dortmund präsentieren. Der Ansturm der interessierten Bürger*innen auf die Diskussion war enorm und der Saal des Literaturhauses war mit 100 Gästen deutlich überfüllt.

„Viele Eliten in Europa sind nicht mehr davon überzeugt, dass man sich über einen Diskussionsprozess auf gemeinsame Grundhaltungen einigen kann. Vielmehr stellen diese sogenanntes Expertenwissen als ultima ratio da. Mit dieser Haltung der Eliten wird aber die Demokratie in Frage gestellt!“, so Gesine Schwan zum Beginn der Diskussion. Weiterlesen…

Einladung zum D+ Stammtisch am 2.11. in Berlin: Transparenz im Berliner Lobby-Dschungel

D+ Gruppe 3Hausausweise endlich offen legen – Lobbyregister einführen: Einladung zum D+ Stammtisch mit Timo Lange von Lobbycontrol und Gregor Hackmack von abgeordnetenwatch.de

Liebe Freundinnen und Freunde von Demokratie Plus,

die aktuelle Diskussion über Hausweise zeigt erneut, wie ausufernder Lobbyismus mittlerweile Einzug ins Parlament hält und wie dringend wir ein Lobbyregister brauchen. Über 2.000 Lobbyisten können mit ihrem Hausausweis jederzeit ungehindert und unbemerkt in den Deutschen Bundestag, um Stimmung für die Interessen ihres Auftraggebers zu machen. Man hat das Gefühl, wir bekommen anstatt mehr immer weniger Transparenz. Es ist ein Skandal, dass sich die Regierungskoalition so lange geweigert hat, die Hausausweise offen zu legen. Die SPD-Bundestagsfraktion hat sie vor ein paar Tagen nach großem öffentlichem Druck veröffentlicht. Trotz Klage vor dem Verwaltungsgericht hält die CDU/CSU-Fraktion aber weiter an ihrer Transparenzblockade fest und verweigert die Veröffentlichung von Lobbykontakten. Weiterlesen…

Johanna Uekermann: Jung und politisch

 

© Tobias Pietsch

© Tobias Pietsch

Alle paar Jahre erscheint die Shell-Jugendstudie und versucht der Jugend von heute auf den Grund zu gehen. Befragt wird die Altersgruppe zwischen 12 und 25 Jahren. Die Jugendstudie versucht zu klären, wie junge Menschen ticken. Was ist ihnen wichtig? Was wünschen sie sich? Und wie bewerten sie Gesellschaft und die eigene Zukunft?

In den letzten Jahren kamen junge Menschen in den Studien nicht so gut davon. Nur 30 Prozent sagten 2002 über sich, sie seien politisch interessiert. Sie gingen schon noch auf die Straßen – zum Beispiel für die Abschaffung von Studiengebühren. Aber immer mit der Frage auf den Lippen: „Was bringt mir das?“. Die Autoren der Studie nannten die Jugendlichen von 2002 deshalb Ego-Taktiker. Entgegen mancher Feuilleton-Kommentatoren fand ich diese Einstellung nie verwunderlich. Aufgewachsen waren sie unter dem Eindruck der „Alternativlosigkeit“ politischen Handelns und mit der Gewissheit, der oder die Beste sein zu müssen, damit es mit einem guten Job etwas wird. Beharrlich saß die Angst im Nacken, dass einen niemand auffängt, wenn man sich Fehler leistet oder einen Umweg nimmt. Da wird beim Engagement sehr genau abgeklopft, welche Vorteile es hat. In diesem Jahr aber ist alles anders. Die Jugend 2015 ist politisch interessiert – 41 Prozent sagen dies über sich. Sie sind offen für Zuwanderung und gehen mit den Herausforderungen pragmatisch um. Anpacken ist angesagt, statt über die Situation zu jammern. Das zeigt sich auch aktuell ganz deutlich bei dem Umgang mit der großen Anzahl Schutzsuchender, die zu uns kommt. Weiterlesen…