Erste Zwischenbilanz: Rückmeldung der Parteien auf unsere Forderungen zur Verbesserung der Wahlbeteiligung

D+ Gruppe 3Seit Jahren sinkt die Wahlbeteiligung in Deutschland alarmierend, die Gruppe der Nichtwähler gewinnt mittlerweile mehr Stimmen als jede Partei. Wahlergebnisse weit unter 40 Prozent wie bei den Kommunalwahlen in NRW im September und im Mai in Bremen unterstreichen zum wiederholten Mal: unsere Demokratie ist in Gefahr. Menschen wenden sich frustriert von der Politik ab, Wahlen verlieren an Bedeutung und gewählte Volksvertreter an Legitimation, stattdessen entsteht Raum für neue populistische Bewegungen wie Pegida und Co.

Was wir erleben, ist eine tiefgreifende, demokratische Krise.

Mit großem Interesse hatten wir deshalb die Ankündigung von Union und SPD verfolgt, sich mit anderen demokratischen Parteien in einer parteiüberübergreifenden Initiative u.a. der Steigerung der Wahlbeteiligung widmen zu wollen. Wir begrüßen einen gemeinsamen Reformprozess der Parteien, bisher ist es jedoch noch zu keiner Aktion gekommen. Zudem erscheinen uns die Vorschläge, die vereinzelt von den Generalsekretär*innen Frau Fahimi bzw. Herrn Dr. Tauber und Herrn Scheuer im Vorfeld in die Diskussion eingebracht wurden, bei weitem nicht tiefgreifend genug, um die wahren Ursachen für die Wahlmüdigkeit vieler Bürger anzugehen.

In unserem Forderungspapier „Demokratie retten“ haben wir deshalb erste konkrete Forderungen erarbeitet, mit denen wir mehr politische Teilhabe möglich machen und die wahren Gründe für geringe Wahlbeteiligung adressieren wollen.

Wir plädieren für mehr Bürgerbeteiligung und direkte Demokratie auf Bundesebene. Wir wollen außerdem mehr Transparenz und weniger Einfluss durch Lobbyismus. Leblosen Debatten in den Parlamenten und dem damit verbundenen sinkenden Interesse an Politik von immer mehr Menschen wollen wir mit einer Reformierung der Debattenkultur im Bundestag entgegengewirkten. Daneben fordern wir ein Wahlrecht für jeden, der dauerhaft in Deutschland lebt, auch für Menschen ohne deutschen Pass.

Wir setzen auch auf neue, kreative Wege, um die Wahlbeteiligung wieder zu steigern. Dazu wäre die Gründung einer Enquete-Kommission im Bundestag notwendig. Hier müssten z.B. auch Vorschläge, wie eine Wahlpflicht oder die Nicht-Besetzung von Parlamentssitzen bei niedriger Wahlbeteiligung diskutiert werden

Mitte September haben wir die Generalsekretär*innen und politischen Geschäftsführer*innen von CDU, CSU, SPD, Linke, Grünen, FDP und Piraten mit unseren Forderungen konfrontiert und sie dazu eingeladen, mit uns in Dialog zu treten und gemeinsam zu diskutieren, mit welchen Reformen die Ursachen von Politikverdrossenheit und geringer Wahlbeteiligung bekämpft werden können.

Wie angekündigt werden wir die Reaktion der Parteien und die Diskussion dokumentieren und hier veröffentlichen.

Der bisherige Zwischenstand dazu (Stand 04.12.2015)

Wir sind sehr besorgt über den Zustand unserer Demokratie und werden auch in Zukunft nicht locker lassen, Prozesse anzustoßen um sie weiterzuentwickeln und wiederzubeleben.

 

5 Gedanken zu “Erste Zwischenbilanz: Rückmeldung der Parteien auf unsere Forderungen zur Verbesserung der Wahlbeteiligung

  1. axel hausstein

    es ist das parteiensystem selbst, das die demokratie gefährdet.
    die bürger sind nicht politik- oder wahlmüde, sie sind politikermüde.
    die parteien sind zu pöstchenvergabevereinen verkommen, in parlamenten wird selten individuell, sondern nach fraftionsvorgaben abgestimmt.
    WAHLBOYKOTT, um der politikerkaste die demokratische legitimation zu entziehen, ist das wirksame mittel, die demokratie mit einem neuen wahlrecht wiederzubeleben. parteien sind nicht demokratie, sondern bestenfalls republik. sie sind verzichtbar.
    es braucht ein direktes wahlrecht, bei dem kompetente fachleute für ämter kandidieren. so wird die haltung des kandidaten wichtiger als sein parteibuch.

  2. Wahlen sollten immer(!) automatisch ungültig sein, wenn weniger als 75% der Wahlberechtigen gewählt haben. Unser Grundgesetz hat diese Vorgabe leider nicht gemacht.
    Und deswegen haben alle politische Parteien und ihre Kandidaten auch kein Interesse am Thema geringe Wahlbeteiligung. Trotz ihrer eventuellen gegenteiligen Bekundungen an den Wahlabenden.

  3. Klaus Ulrich Warner

    Herr Axel Hausstein meint,

    „es ist das parteiensystem selbst, das die demokratie gefährdet.“.

    Gegenrede:
    Das Gegenteil wäre ein System einer Diktatur mit nur einer Partei, wie es in der DDR war. Wer oder was sollte denn an die Stelle des Parteiensystems treten. Benennt man das nicht, dann übt man Kritik ohne einen besseren Vorschlag nennen zu können. Utopien sind prägnanterweise wenig tauglich, um reale Probleme zu lösen, ohne jetzt ins Wissenschaftliche der Staatstheorien abgleiten zu wollen.

    Aber eines muss ich hier nennen. Geschichte ist das Wissen um die Erfahrungen der Menschheit. Sich daran zu orientieren macht Sinn. Auf die Erfahrungen und das Wissen der Vorfahren zurückzugreifen ist klug und weise.

    Über eines wird man sich wohl auch einig sein, dass es mit den bisherigen zwei Diktaturen, von 1933 bis 1945 und von 1945 bis 1989, auf deutschem Boden ausreicht, eine dritte brauchen wir nicht.

    Ich denke, zuerst müsse mal definiert werden, was denn Demokratie mit einfache Worten bedeutet.
    „Demokratie (altgriechisch δημοκρατία „Herrschaft des Staatsvolkes“, von δῆμος dēmos ‚Staatsvolk‘ und -kratie: κρατία kratía ‚Herrschaft‘) bezeichnet Herrschaftsformen, politische Ordnungen oder politische Systeme, in denen Macht und Regierung vom Volk ausgehen, indem dieses – entweder unmittelbar oder durch Auswahl entscheidungstragender Repräsentanten – an allen Entscheidungen, die die Allgemeinheit verbindlich betreffen, beteiligt ist.[1] In demokratischen Staaten und politischen Systemen geht die Regierung durch politische Wahlen aus dem Volk hervor. Typische Merkmale einer Demokratie sind freie Wahlen, das Mehrheitsprinzip, die Akzeptanz einer politischen Opposition, Verfassungsmäßigkeit, Schutz der Grundrechte, Schutz der Bürgerrechte und Achtung der Menschenrechte. Da die Herrschaft durch die Allgemeinheit ausgeübt wird, sind Meinungs- und Pressefreiheit zur politischen Willensbildung unerlässlich.

    „Demokratie“ ist in den meisten demokratischen Ländern formell ein tragendes Verfassungsprinzip, so in Deutschland (Art. 20 Abs. 1 GG).

    Ich kann von daher nicht die These mittragen, dass in Deutschland die Demokratie gefährdet sei.

    Im übrigen würde ich empfehlen, wenn man schon kritisieren möchte, was natürlich ebenso Ausdruck der vorherrschenden Demokratie ist (Meinungsfreiheit), auch mal zu benennen, an welchen real existierenden Referenz-Staaten man sich orientieren geneigt sei. Ansonsten ist die Grenze zur Utopie verschwommen und man träumt von nicht zu erreichenden Zuständen. Denn Theorien sind nur so gut, wie diese in der Praxis auch funktionieren und ggf. bereits funktioniert haben.

    Dass natürlich Wahl- und Politikverdrossenheit existiert, hat mit Demokratie nichts zu tun. Die Verdrossenheit ist zudem wohl über lange, lange Zeiträume entstanden. Wenn man nun glaubt, dass das mal so eben wieder einer Korrektur unterzogen werden könne, nur wenn man drüber redet, dann sehe ich hier einen Irrglauben.

    Nach meinem Dafürhalten hat die Verdrossenheit mehr mit dem Vertrauensverlust in die Politik zu tun, genauer genommen in die Akteure der Politik, die Politiker.

    Vertrauen herzustellen, ist diese einmal erschüttert, ist eine langfristige Aufgabe, die wohl mehr als eine Wahlperiode dauern dürfte. Die Parteien planen nun mal nicht über diese Zeiträume hinaus bzw. eher zweitrangig.

    Wie wäre es denn mit einer Politik, in der sich die Wählerinnen und Wähler hochkarätig wiederfinden.

    Belogen möchte doch in Wahrheit niemand werden! Wahrheit schafft Vertrauen!

    „Es muss auch drin sein, was außen dran steht, wenn nicht, kauft oder wählt man es nicht wieder.“

    In diesem Sinne hatte das Volk der DDR 1989 die Nase gestrichen voll gehabt und wollte geschlossen etwas anderes, ausgenommen der 2.300.000 Genossen der SED, die ja zufrieden mit den Verhältnissen waren, denn sonst wären sie ja auch auf die Straße gegangen, was sie eben nicht sind.

  4. Klaus Ulrich Warner

    Zitat des Kommentar:

    Thomas Klein

    Wahlen sollten immer(!) automatisch ungültig sein, wenn weniger als 75% der Wahlberechtigen gewählt haben. Unser Grundgesetz hat diese Vorgabe leider nicht gemacht.
    Und deswegen haben alle politische Parteien und ihre Kandidaten auch kein Interesse am Thema geringe Wahlbeteiligung. Trotz ihrer eventuellen gegenteiligen Bekundungen an den Wahlabenden.“
    ________________________________________________________________________________
    Es ist auch Freiheit in einer Demokratie, nicht zur Wahl zu gehen. Jeder weiss oder sollte es zumindest, wenn man seine Stimme im wahrsten Sinne verschenkt, weil man drauf verzichtet, kann das bewirken, dass in der Regierung genau diejenigen sitzen, die man nun partout nicht haben wollte.

    Würde man Wahlen immer für ungültig erklären können, wenn ein festgesetzter Prozentsatz der Wahlbeteiligung unterschritten sein würde, ebnete es den Weg zur Anarchie und Unregierbarkeit. Könnte ja auch sein, dass man dann ewige Neuwahlen ausrufen müsste.

  5. Ich finde die niedrige Wahlbeteiligung nicht so schlimm wie die meisten aus Parteien, Medien und engagierten Bürgerinnen und Bürgern. Wer nicht zur Wahl geht, kann dafür viele Gründe haben. Eine kleine Auswahl:
    1. Wenn ich z.B. daran mitwirken möchte, dass eine Partei die Wahl gewinnt, es mir aber egal ist, ob sie ein Prozent mehr oder weniger bekommt und die Umfragen zeigen, dass die Partei keine Chance hat oder sowieso gewinnt, warum sollte ich dann hingehen?
    2. Wenn ich denke, dass die anderen Menschen im Land gerne festlegen sollen, wer mich regiert, ja dann bitte: bloß nicht zu Wahl gehen.
    3. Wenn ich überhaupt nicht will, dass mich jemand regiert und andere Leute Gesetze machen ohne mich zu fragen, die mich aber trotzdem verpflichten, warum soll ich dann jemanden wählen, der mich regiert?

    Studien zeigen immer wieder, dass die Menschen in Deutschland zu großen Teilen Parteien wählen, die nicht ihre Interessen vertreten. Wenn man sie nach ihren grundsätzlichen Einstellungen fragt und wie sie zu bestimmten Sachfragen stehen, kommt die eine Partei raus, sie wählen aber trotzdem eine andere. Ja hallo? Diese Leute dürfen gerne zu Hause bleiben. Ein weiterer Vorteil: Meine Stimme zählt relativ mehr.

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